1. Juli 2017 Aschersleben
Städte – auch die kleinsten unter ihnen – sind wie Menschen: Jede ist eine Persönlichkeit, die ihre ganz besondere Geschichte und ständig wechselnde Launen hat. Manche schenken alles her, was sie haben, andere halten sich vornehm zurück oder spielen Verwirrspiele. Geheimnisse haben sie alle. Wenn man als unbedarfte Touristin in eine Stadt kommt, von der man fast nichts weiß, wie ich heute Morgen nach Eisleben, ist das Fluidum einer Stadt erst einmal wichtiger als historische Fakten. Natürlich Luther, Geburts- und Sterbehaus, aber dann? Es ist ein grauer Tag, kühl und feucht, Samstag. Wir irren durch die engen Gassen, die schlecht beschildert sind, vorbei an leeren Schaufenstern und solchen, die mit ihren Auslagen unweigerlich an die DDR erinnern. Gefühlt brauchte jedes 4. Haus einen Anstrich oder eine gründliche Restauration. Die Menschen haben verschlossene Gesichter. Kein Straßenleben, keine repräsentativen Bauten, keine Farben. Mir wird langsam ganz trübsinnig zumute. War und ist Eisleben so eine arme Stadt, fragen wir uns. Wir googeln.
Eisleben gehört zum Welt-Kulturerbe und hat eine lange wechselvolle Geschichte hinter sich. Durch den Kupferschieferbergbau (die Schlackenhalden stehen wie spitze Kegel in der Landschaft) wurde die Stadt wohlhabend, lese ich. Davon kann ich nichts entdecken, wenigstens nicht in der Altstadt. Ich brauchte also einen neuen Tag, besseres Wetter und viel Zeit, um Eisleben besser kennenzulernen.
Auf nach Aschersleben. Heide läuft im Regen einen Abschnitt des Harzrundwegs, ich fahre auf der stark befahrenen 180. Erster Eindruck von Aschersleben: Vielfältig und interessant. Alte Häuser mischen sich mit neuen, kaum baufälliges Gemäuer wie in Eisleben, die Straßen breiter, mehrere Parks, Villen. Ein durch Papier und Verpackungsmaterialien reich gewordener Fabrikant mit dem einprägsamen Namen Bestehorn hat überall in der Stadt seine Spuren hinterlassen. Mehrere Parkanlagen mit Skulpturen, ein Kunstquartier und der berühmte Sohn der Stadt, Neo Rauch, hat mit 57 Jahren schon ein großes Ausstellungshaus für sich allein. Davor steht dieses Ding aus Holzpfählen, in das man hineinkriechen kann. Die Kinder, die drin sitzen sagen, es hieße einfach „Orange“.
Inzwischen gehört die Lektüre und Betrachtung Deines Reisetagebuchs zu unserem festen, unverzichtbaren Tagesablauf, selbst auf der Nordseeinseln Amrum. Wir lernen viel und bewundern Euch ! Haltet gut durch – wir freuen uns aufs Wiedersehen eines schönen Tages in Lübeck! Liebe Grüße Jürgen und Chris
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