Die Verkleinerung der Welt durch eine Absicht
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Die Welt, in der wir uns bewegten, war paradoxerweise kleiner, obwohl wir uns gerade aufgemacht hatten, das „große“ Deutschland von Süd nach Nord zu erkunden. Unsere Absicht schnitt aus dem großen Ganzen unsere subjektive Welt heraus, als wäre sie nur noch ein Tortenstück in einem Kreis. Unterwegssein hieß dieses Tortenstück, und das war als (vorübergehende) Daseinsform ein Ausschnitt mit anderen Lebensbedingungen als im Kreis:
Wir lebten in den Tag hinein, denn durch den ständigen Wechsel unserer Umstände war Planung kaum möglich. Wir mussten nur den kleinen, selbstgesteckten Rahmen unserer Absicht einhalten – und selbst den hätten wir jederzeit ändern können. Es war ein Leben im Augenblick und nicht sehr weit darüber hinaus. Die Dimension der Zukunft hatten wir fast aus den Augen verloren, und damit waren alle möglichen Ängste, die immer Kinder der Sorge um die Zukunft sind, verschwunden. Es waren keine weitreichenden Entscheidungen zu fällen, keine lästigen Pflichten zu erfüllen, es war keine Verantwortung zu übernehmen (außer für uns selbst) und keine Vorsorge zu treffen. Und selbst ums Geld haben wir uns keine Sorgen gemacht, weil wir das schon vorher (als wir uns noch um die Zukunft sorgten) geregelt hatten. Wir waren frei, uns durch den Tag treiben zu lassen, ganz nach unseren Bedürfnissen, dieses zu machen und jenes zu lassen.
Und „irgendwie“ passierte immer das Richtige, weil wir wollten, dass es das Richtige war.

Relief an einer Mauer des Käthe-Kruse-Museums in Bad Kösen